Bundesrat Berset hat mit seinen Vorschlägen zur Revision des sozialen Sicherungssystems viel Widerspruch ausgelöst. Im Inhalt unterschiedlich, aber immer mit der Frage der Finanzierung im Mittelpunkt. Soziale Sicherheit ist jedoch nicht nur eine Frage der genügenden Finanzen.
Die finanzielle Seite ist zweifellos sehr wichtig, wie z.B. die Grafik im Bericht des eidg. Finanzdepartements „ Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz 2012“ zeigt.
EFD 2012
Aber soziale Sicherheit ist nicht nur eine Frage der Finanzen, soziale Sicherheit ist ebenso auf weitere Ressourcen angewiesen. Für die Sicherung der längerfristigen Solidarität und des Zusammenhalts i n der Gesellschaft ist mindestens so entscheidend, wie gut die direkte Unterstützung von Mensch zu Mensch funktioniert. Solidarität und Zusammenhalt gedeihen nur, wenn sie auch erlebbar sind und durch die Begegnung zwischen Menschen genährt werden. Sie können nicht nur mit finanziellen Beiträgen am Leben gehalten werden. Es braucht beides.
Zukunftsfähigkeit entscheidend
Die Zukunft wird auch der Schweiz Entwicklungen bescheren, die eine Neugestaltung der sozialen Sicherheit nötig machen. Die demografische Entwicklung wird bis 2040 dazu führen, dass auf gut zwei Erwerbstätige eine Person im Rentenalter kommt. Im Gegensatz zu heute, wo auf mehr als drei Erwerbstätige eine pensionierte Person kommt. Die Menschen werden einerseits wesentlich älter und anderseits entsteht eine neue Generation, die Menschen im sogenannten Dritten Lebensalter zwischen der Pensionierung und ca. 75 Jahren. Diese Menschen sind noch bei guter Gesundheit und aktiv. Eine solche Generation gibt es das erste Mal in der Menschheitsgeschichte. Deshalb haben sie keine Vorbilder für ihre Lebensgestaltung und ihre Rolle in der Gesellschaft. Diese Generation muss ihre Rolle erst noch finden. Ein Teil davon wird sein, dass sie einen Beitrag zum Gleichgewicht in der Gesellschaft leistet. Da die Unternehmen Menschen in diesem Alter nur sehr selektiv zu beschäftigen gewillt sind und die meisten auch nicht noch länger im bisherigen Sinne berufstätig sein können und wollen, trägt eine Erhöhung des Rentenalters nur sehr wenig zur Lösung bei. Es braucht neue Modelle, neue Formen, wie diese Generation mit beträchtlichen Ressourcen und Kompetenzen ihren Anteil an der Verantwortung in der Gesellschaft wahrnehmen kann – und muss. Der schrumpfende Anteil der Erwerbstätigen wird nicht akzeptieren, dass sie immer mehr Lasten übernehmen muss.
Es braucht deshalb neue Lösungen. Eine mögliche Lösung ist die Zeitvorsorge mittels Zeitgutschriften. Die folgende Grafik des Vereins KISS zeigt dies anschaulich:
Schweizweit geldfreie 4. Vorsorgesäule KISS
Zeitgutschriftensysteme gibt es bereits in verschiedenen Ländern in unterschiedlicher Form. Erfahrungen mit Zeitwährungen haben die USA in Form des Time Dollars seit 1986. Ebenfalls sehr verbreitet sind Zeitgutschriften in Japan. Dort hat die Einführung dieser Währung zu einem deutlichen Anstieg der erbrachten Leistungen geführt und es arbeiten mehrere Hundert Betreuungsdienste nach diesem Prinzip. In Deutschland und Österreich gibt es bereits zahlreiche Gemeinden (z.B. Riedlingen, Dietzenbach usw.) und Organisationen (Zeitbank 55+ usw.), die seit längerer Zeit nach diesem Prinzip arbeiten. In der Schweiz ist das Projekt Zeitvorsorge der Stadt St.Gallen in Vorbereitung. Die zwei KISS Pilotprojekte im Kanton Obwalden und in der Stadt Luzern sind dieses Jahr gestartet und die Genossenschaften KISS Obwalden bzw. KISS Luzern sind gegründet. Viele weitere Gemeinden, nicht zuletzt wegen der Pflegeversicherungsverordnung des Bundes, sind sehr interessiert.
Wichtige Erfahrungen werden gesammelt. Die Zukunft hat auch bei der sozialen Sicherheit schon begonnen.
Links: www.kiss-zeit.ch
www.stadt.sg.ch/home/gesellschaft-sicherheit/aeltere-menschen/zeitvorsorge
www.ruediwinkler.ch
13.11.2013