Veränderung von unten (Artikel in ps Zeitung 1.12.23

Veränderung von unten

Gesellschaftliche Veränderungen geschehen auf unterschiedliche Weisen. Nicht immer geschieht das Wichtigste dort, wo der Lärm am grössten ist. Unauffällige Entwicklungen können wieder ebenso unscheinbar verebben, wie sie entstanden sind – oder auch nicht.

Zwei Netzwerke – gemeinsame Stossrichtung

In Zürich wurde anfangs November der Verein Netzwerk Caring Communities Schweiz gegründet, das Netzwerk selbst besteht seit 2017 und ist seither stark gewachsen. Und es ist Teil eines Netzwerks der Länder Deutschland, Oesterreich, Schweiz, das D‐A‐CH‐Netzwerk Caring Communities. Ein gleichartiges Netzwerk gibt es auch für die Care-Initiativen Deutschland, Oesterreich, Schweiz.

Zu beiden Themen ist in diesem Jahr je ein Buch erschienen, «Care schafft Community – Community braucht Care» mit einer Reihe von Aufsätzen was Caring Communities sind, was sie wollen und über ihre Bedeutung. Im Buch «Wirtschaft neu ausrichten», setzen sich verschiedene Autorinnen hauptsächlich mit der Frage auseinander, wie wir zu einer carezentrierten Wirtschaft gelangen, oder wie eine Autorin sagt, wie es gelingen kann, die Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse zu stellen.

Was ist ein Caring Community?

Caring Communities sind Organisationen, in denen sich Menschen zusammenschliessen, die für ein ganz bestimmtes Problem in ihrem direkten Lebensbereich eine Lösung finden wollen. Charakteristisch für sie ist, dass sie nicht «man sollte», me sött» oder «die sollen doch endlich mal» sagen, sondern sie packen selber an, suchen Wege und Möglichkeiten, das Problem zu lösen. Entsprechend vielfältig sind denn auch die Organisationen, die sich zu den Caring Communities zählen. Vom Kinderspielplatz bis zum Lokalradio, vom Bio-Gemeinschaftsgarten bis zum Quartiertreffpunkt, dem Treffpunkt für alleinerziehende Mütter oder für ältere Menschen, Treffpunkte und Räume, die allen zur Verfügung stehen, Begrünen und Beleben des öffentlichen Raums usw. Im Corriere del Ticino sagte es Marcello Martinoni, Koordinator des Netzwerks Caring Communities im Kanton Tessin so: Caring Communities würden «kleine Ideen umsetzen, die zu grossen Ergebnissen in der Gesellschaft führen.» Erneuerung von unten. Allen ist gemeinsam, dass sie von den Menschen im Quartier, der Gemeinde oder der Region aufgebaut und betrieben werden. Mit wenig Hierarchie, stark auf das gemeinschaftliche Tun ausgerichtet und stark geprägt von Frauen, nicht nur beim Ausführen, sondern genauso beim Initiieren, Planen und Gestalten.

Was bei Veranstaltungen mit Vertreterinnen und Vertretern von Caring Communities auffällt, ist die Power, die Engagiertheit und die gute Stimmung. Es kommt zum Ausdruck, da treffen sich Menschen, die handeln und etwas bewegen wollen.

Care Arbeit ist das Fundament

Care-Arbeit umfasst Betreuungs-, Pflege- und Hausarbeit für Kinder und Erwachsene, bezahlt und unbezahlt, d.h. alles, was nötig ist, damit Gesellschaft und Wirtschaft überhaupt funktionieren können. Die ökonomische Bedeutung der unbezahlten Familien- und Hausarbeit ist gross. Gemäss der Fachhochschule Graubünden umfasste sie in der Schweiz schon 2016 9,2 Milliarden Stunden unbezahlt. Das ist mehr als für bezahlte Arbeit aufgewendet wurde (7,9 Milliarden Stunden). Der totale Wert der unbezahlten Arbeit in der Schweiz beläuft sich auf 404 Milliarden Schweizer Franken, wovon rund 246 Milliarden Schweizer Franken (61%) von Frauen geleistet werden. Im Bruttoinlandprodukt wird sie jedoch gar nicht berücksichtigt.

Diesen Sommer fand in Herrsching bei München ein Seminar für Vertreter:innen der Care-Initiativen Deutschland, Oesterreich, Schweiz statt. Im Mittelpunkt stand die Erscheinung ihres Buches «Wirtschaft neu ausrichten» und die Planung der nächsten Schwerpunkte. Wie der Titel des Buches sagt, ist das Ziel klar und die Herausgeberinnen lassen keine Zweifel offen, worum es geht. In der Einleitung zum Buch schreiben sie, es «braucht nicht nur Sichtbarkeit, Anerkennung und Honorierung von Care-Tätigkeiten, sondern eine Neuausrichtung allen Wirtschaftens». Entsprechend waren am Seminar die Pläne für die weiteren Aktivitäten auf eine Neupositionierung der Care Arbeit ausgerichtet. Und mehr noch, die Care Arbeit ist die Grundlage, ohne die weder die Wirtschaft noch die Gesellschaft existieren kann. Da ist es nur logisch, dass die Werte und Regeln der Care Arbeit auch für die Wirtschaft gelten sollten.

Grundlegender Systemfehler

Die bekannte amerikanische Soziologin Riane Eisler benennt in ihrem Buch «Die verkannten Grundlagen der Oekonomie» den grundlegenden Systemfehler. Das Problem sieht Eisler in unserem «dominanzgeprägten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem». Solche Systeme seien geprägt von vier Elementen: Autoritäre auf Kontrolle gestützte Hierarchien, hohes Mass an Missbrauch und Gewalt, Unterordnung der Frauen unter die Männer und der Ueberzeugung, dass diese Dominanz «als unausweichlich, ja sogar als moralisch geboten» gerechtfertigt sei. Sie stellt als Kern des Uebels die fehlende Fürsorge fest. Oder kurz gesagt: Die westliche Wirtschaft beruht in Theorie und Praxis auf dem Prinzip der Konkurrenz, der Stärkere verdrängt den Schwächeren. Diesem Prinzip fallen offensichtlich nicht nur das Klima und die soziale Gerechtigkeit zum Opfer, immer deutlicher auch unsere Demokratien, für die dieses Prinzip längerfristig tödlich ist.

Aus der Sicht Eislers haben die «zunehmenden Probleme von Individuen, Gesellschaft und der natürlichen Umwelt, also unserer Mitwelt, eine gemeinsame Ursache: Einen Mangel an Fürsorge bzw. Care.». Nach ihr blenden die herkömmlichen Wirtschaftsmodelle in «befremdlicher Art und Weise einige der grundlegenden Voraussetzungen der menschlichen Existenz – allen voran, die essenzielle Bedeutung der Fürsorge und der Care-Arbeit für jegliche oekonomische Aktivität» aus.

Die Mitglieder der Netzwerke Caring Communities und Caring-Initiativen engagieren sich konkret und direkt dafür, dass Fürsorge bzw. Care in unserer Gesellschaft jenen Stellenwert erhält, der ihr gebührt. Sie engagieren sich dort, wo sie direkt etwas beeinflussen können. Sie setzen dort an, wo sie direkten Einfluss haben und ihre Ideen umsetzen können. Und sind überzeugt, dass sich so Marcello Martinonis Erwartung erfüllen wird.

Ruedi Winkler

Care schafft Community – Community braucht Care. Robert Sempach, Christoph Steinebach, Peter Zängl. Hrsg. Springer Verlag

Wirtschaft neu ausrichten. Uta Meier-Gräwe, Ina Praetorius, Feline Tecklenburg. Hrsg. Barbara Budrich Verlag

Riane Eisler. Die verkannten Grundlagen der Oekonomie. Büchner Verlag

Neue Lösungen oder dem Rechtsextremismus zuarbeiten?

Neue Lösungen oder dem Rechtsextremismus zuarbeiten?
Ruedi Winkler
In praktisch allen Ländern Europas wird geklagt, dass die Ideen der politisch Rechtsstehenden immer stärkeren Rückhalt finden und nicht nur dies, sondern dass auch die extreme Rechte an Bedeutung zunimmt. Anstatt über diese Entwicklung zu klagen, wäre es hilfreicher, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Hinter der Bereitschaft, die Rechte immer mehr zu stärken, und dabei auch vor Extremen nicht zurückzuschrecken, steht auch eine Enttäuschung, die nicht ohne Grund besteht. Generell kennen wir die Entwicklung, dass die Reichen immer reicher und die Ärmeren immer ärmer werden.
Schaut man etwas differenzierter hin, wie es zum Beispiel der Soziologe Reckwitz in seinem Buch „Das Ende der Illusionen. Politik, Oekonomie und Kultur in der Spätmoderne“ tut, dann wird deutlich, dass es innerhalb der Gesellschaft Verlierer und Gewinner. Dabei wird deutlich, dass die Verlierer deutlich zahlreicher sind und v.a. dass ihre Hoffnung, aus dieser Situation herauszukommen, massiv schwindet. Wenn Menschen in einer gesamthaft von Ueberfluss gezeichneten Gesellschaft sehen, dass sie verlieren und Aussicht auf Besserung nicht besteht enttäuscht sind, dann ist das weiter nicht erklärungsbedürftig. Wenn z.B. in Familien beide Elternteile Lohnarbeit leisten, und es reicht immer noch nicht und wenn sie zusehen, wie die Immobilienfirmen hohe Gewinne machen und die Mietzinse werden immer drückender, dann ist es kein Wunder, wenn sie für extreme Ideen ansprechbar werden. Vor vor allem wenn sie den Eindruck haben, diese seien die einzigen, die ihr Problem wirklich verstehen und sie nicht mit irgendwelchen abstrakten Erklärungen still legen wollen.
Die übliche Ausrede der etablierten Politik ist jeweils, dass aus finanziellen Gründen weder die Firmen noch der Staat die Möglichkeit hätten, die Verliererinnen und Verlierer besser zu stellen, bzw. das System so anzupassen, dass die Einkommensschere nicht mehr weiter auseinandergeht, und dass im übrigen die Kosten für die soziale Sicherheit sowieso zu hoch seien. .
Mit ein Grund für diese Argumentation ist, dass die Ökonomie in überkommenen Denkweisen und Stereotypen verhaftet bleibt. Eine Ökonomie, die von alters her darauf ausgerichtet ist, die Starken stärker zu machen und die besser Gestellten noch besser zu stellen und auf Konkurrenz statt Kooperation ausgerichtet ist. Mit dem Wohlfahrtstaat wurde dies in der Zeit seit dem zweiten Weltkrieg erfolgreich aufgefangen, mit dem Beginn des extremen Neoliberalismus seit den 80-er Jahren kam jedoch eine Gegenströmung zu immer grösserem Einfluss, die die Regeln des Kapitalismus über alles stellt und damit wächst logischerweise der Anteil der Verliererinnen und Verlierer.
In unserer Gesellschaft wird schon seit der Industrialisierung, der existentiell entscheidende Sektor, das heisst u.a. die Erziehung der Kinder, die Betreuung und Pflege der Kranken, Alten und Behinderten usw. zu einem entscheidenden Teil von schlecht bezahlter Arbeit oder Freiwilligenarbeit getragen wird.
Es ist kaum eine Frage, dass ein solcher Zustand für eine moderne Gesellschaft nicht nur unhaltbar, sondern direkt beschämend ist. Dies umso mehr, als es Lösungsvorschläge gibt, die über die etablierte Ökonomie, wie sie heute in den westlichen Ländern dominiert, hinaus geht. In den USA gibt es eine breite Diskussion über die sogenannte Modern Monetary Theory. Und mit ihrem Vier-Sektoren-Modell hat die feministische Schweizeroekonomin Mascha Madörin ein Viersektorenmodell anstelle des heutigen Dreisektorenmodells definiert.
Damit sind die Grundlagen für eine Neukonzeption vorhanden. Der Sektor, der über das vom Staat selbst geschaffene Geld finanziert werden soll, kann aufgrund der Arbeiten von Mascha Madörin definiert und auch ökonomisch beschrieben und quantifiziert werden. Mit der Modern Monetary Theory ist die theoretische Grundlage für die Gestaltung des Geldsystems um diesen Sektor nachhaltig zu finanzieren ebenfalls vorhanden.
Es ist im Grunde genommen nur eine Frage, ob die politisch Verantwortlichen, und in den Demokratien auch die Bevölkerung, bereit sind, diese Wege zu gehen. Oder ob sie allein auf ihre Pfründe schauen, die Verschärfung der Polarisierung in Gewinner und Verlierer weiter in Kauf nehmen und damit wirksam den extremen Rechten zuarbeiten. Lösungen gibt es, die Folgen, wenn wir nichts tun kennen wir. Worauf warten wir noch?

Caring Communities als Mit-Wegbereiter für eine sich erneuernde Gesellschaft

Buchbeitrag zu «Care schafft Community – Community schafft Care» Hrsg. Robert Sempach und Peter Zängl

Caring Communities als Mit-Wegbereiter für eine sich erneuernde Gesellschaft

1. Einleitung
Wir nehmen Veränderungen oft lange nicht wahr, wenn sie schon begonnen haben. Das hängt auch damit zusammen, dass das Gemeinsame einer Entwicklung oft nicht unmittelbar ins Auge springt. Das dürfte auch für die Organisationen gelten, die Mitglied des Netzwerkes Caring Communities sind. Der Bereich ihrer Tätigkeit und ihre konkrete Arbeit sind ganz unterschiedlich. Dadurch, dass sie Mitglied des Netzwerks Caring Communities sind, bekennen sie sich zu den Werten für eine Caring Community. Auf der Website des Netzwerks sind diese so beschrieben: «Eine Caring Community ist eine Gemeinschaft, in der Menschen füreinander sorgen und sich gegenseitig unterstützen. Gemeinsam wird Verantwortung für soziale Aufgaben wahrgenommen, wobei Vielfalt, Offenheit und Partizipation beachtet und gestaltet werden.»
Diese Werte sind die gemeinsame Grundlage der Caring Communities und erklären wohl auch die Attraktivität des doch eher allgemeinen Begriffs.

2. Caring Communities als gesellschaftliche Kraft
Cornelia von Coenen-Marx, Theologin und Buchautorin , definiert die Ziele der Caring Communities als «Übernehmen von wechselseitiger Unterstützung, von Bereitschaft und Übernahme von Verantwortung für sich selbst, für andere und für die gesellschaftliche Entwicklung.» Das Wissenszentrum des Zentrums Schönberg in Bern schreibt in seiner Charta für die Caring Communities, bzw. sorgende Gemeinschaften, dass diese in «Übereinstimmung mit den übergreifenden Zielen und Werten der UN-Menschenrechtscharta und der Bundesverfassung sowie der Ottawa-Charta der WHO» stehen. Als Ziele halten sie fest: «Wir streben eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung auf sozialer, wirtschaftlicher, politischer, kultureller, spiritueller und ökologischer Ebene als das Fundament einer Caring Community/Sorgenden Gemeinschaft an.»
Beide Beschreibungen sehen für die Caring Communities eine Bedeutung auch für die gesellschaftliche Entwicklung, die über das Engagement in einem bestimmten Bereich hinausgeht. Beide betrachten die Caring Communities als eine gesellschaftliche Kraft.
Die Arbeit der bestehenden Caring Communities ist meistens sehr konkret. Sie füllen Lücken, ergänzen bestehende Angebote, setzen sich für Jugendliche, Familien und Ältere und die Quartierbelegung ein, organisieren Nachbarschaftshilfe, beteiligen sich an ökologischen Projekten usw. Offensichtlich bestehen Bedürfnisse und Lücken. Und offensichtlich gibt es zunehmend Menschen, die der Ansicht sind, dass weder der Staat noch die Wirtschaft gewillt oder in der Lage sind, diese Bedürfnisse zu befriedigen bzw. die Lücken zu schliessen. Also werden sie selber aktiv, d.h. sie greifen zur Selbsthilfe. Die Zivilgesellschaft übernimmt und organisiert sich. Dabei lässt sie sich offensichtlich zunehmend auch von übergeordneten Ueberlegungen leiten. Der Zusammenschluss in einem wertebasierten Netzwerk ist ein starker Hinweis dafür. Kann daraus geschlossen werden, dass nicht nur in konkreten Bereichen unserer Gesellschaft Defizite bestehen, sondern auch auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene? Und könnte das heissen, dass in der Gesellschaft auf der handelnden Ebene neue Formen des Zusammenarbeitens und des Zusammenlebens entstehen, die zukunftsweisend sind?

3. Heutiges System mit grundlegenden Defekten
Die Soziologin Riane Eisler, Soziologin, Systemwissenschaftlerin und Autorin vertritt die Ansicht, dass unser System grundlegende Defekte hat und sie benennt diese Mängel auch konkret.
Der Oekonom Marc Chesney, Professor für Finanzen an der Universität Zürich, weist in seinem Buch «Die permanente Krise. Der Aufstieg der Finanzoligarchie und das Versagen der Demokratie» eindringlich darauf hin, was diese Defekte anrichten können.
3.1 Alles dreht sich ums Geld
Chesney hält fest, dass unsere Gesellschaft zunehmend von den Interessen der Finanzsphäre gesteuert wird. In diesem «Nervenzentrum der Wirtschaft, überwiegen Käuflichkeit, das Fehlen anderer, als finanzieller Werte und ein moralisches Vakuum». Und die Gesellschaft sei dem ausgeliefert, weil die Demokratie nicht in der Lage sei, diese Entwicklung zu verhindern. Ein Befund, wie er wohl kaum eindringlicher zeigen könnte, wie stark elementare Werte der Gesellschaft bedroht sind.
3.2 Männer dominieren
Die bekannte amerikanische Soziologin Riane Eisler analysiert in ihrem Buch «Die verkannten Grundlagen der Oekonomie» den grundlegenden Systemfehler. Das Problem sieht Eisler in unserem «dominanzgeprägten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem». Solche Systeme seien geprägt von vier Elementen: Autoritäre auf Kontrolle gestützte Hierarchien, hohes Mass an Missbrauch und Gewalt, Unterordnung der Frauen unter die Männer und der Ueberzeugung, dass diese Dominanz «als unausweichlich, ja sogar als moralisch geboten» gerechtfertigt sei.
3.3 Die Fürsorge fehlt
Aus der Sicht Eislers haben die «zunehmenden Probleme von Individuen, Gesellschaft und der natürlichen Umwelt, also unserer Mitwelt, eine gemeinsame Ursache: Einen Mangel an Fürsorge bzw. Care.» Fürsorge bzw. Care versteht sie in einem umfassenden Sinne, von «einem Gefühl oder einer Emotion bis hin zu einer Tätigkeit oder einer ganzen Reihe von Tätigkeiten». Und weiter führt sie aus, dass die herkömmlichen Wirtschaftsmodelle in «befremdlicher Art und Weise einige der grundlegenden Voraussetzungen der menschlichen Existenz – allen voran, «die essenzielle Bedeutung der Fürsorge und der Care-Arbeit für jegliche oekonomische Aktivität» ausblenden würden. Eisler versteht unter Fürsorge den sorgfältigen Umgang sowohl zwischen den Menschen wie auch mit der Umwelt, mit Andersartigem und mit unterschiedlichen Meinungen.
Nach Ansicht Eislers stehen wir «an einem Kipppunkt, einem Wendepunkt der Weltgeschichte, die nicht weniger verlangt, als einen grundlegenden Wandel» .

4. Partnerschaftliches System für die Zukunft
Eisler stellt diesem defekten System ein partnerschaftliches gegenüber. Sie beschreibt dieses so: «Eine demokratische und egalitäre Familien- und Gesellschaftsstruktur; ein niedriges Mass an Missbrauch und Gewalt; ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Verhältnis zwischen Männern und Frauen sowie die Ueberzeugungen und Geschichten, die Beziehungen fördern, die auf gegenseitigem Respekt, gegenseitiger Verantwortlichkeit und beidseitigem Gewinn basieren.»
Eisler geht, wie gesagt, davon aus, dass wir vor einem gesellschaftlichen Wendepunkt stehen. Von einer Wende erwartet sie, dass die oben skizzierte Richtung führt. Dieses partnerschafltiche System weist viele Werte und Eigenschaften auf, die in den Caring Communities angestrebt und praktiziert werden. Auch hier stehen partnerschaftliche Zusammenarbeit, Gemeinschaft, Fürsorge und gegenseitige Unterstützung im Zentrum.

5. Welches gesellschaftliche Potenzial hat die Caring Community-Bewegung?
Sind die Caring Communities also Wegbereiter für eine zukünftige Gesellschaft? Ist das nicht etwas zu weit hergeholt?
5.1 Gegenseitige Beeinflussung und Verstärkung
Das Zukunftsinstitut Frankfurt am Main schreibt im Zusammenhang mit Megatrends, dass die Wirkung einer Bewegung, die auf wesentlich anderen Werten und Grundsätzen beruhe, nicht zu unterschätzen sei. Sie beschreiben das so: «Megatrends wirken nicht eindimensional, sondern vielfältig und komplex. Sie entfalten ihre Dynamik querschnittartig, über alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche hinweg. Megatrends wirken zudem nicht isoliert, sondern beeinflussen sich gegenseitig und verstärken einander wechselseitig in ihrer Wirkung» . Ob die Werte und Grundsätze der Caring Communities Teil eines Megatrends sind, bleibe dahingestellt. Dass sie jedoch auf «wesentlich anderen Grundsätzen und Werten beruhen» ist unbestritten.
Caring Communities können so sehr wohl andere Bereiche der Gesellschaft beeinflussen und eine wechselseitige Wirkung erzielen. Die Arbeit der meisten Caring Communities ist meist in ihrem Wirkungsfeld für viele einsehbar. Eine günstige Voraussetzung, um eine bestimmte Breitenwirkung zu erzielen. Und sie haben verschiedene Eigenschaften, die das Potenzial haben, von den Menschen aus anderen Bereichen wahr- und aufgenommen zu werden. Das grosse Interesse und die Sympathie, die den Caring Communities generell entgegenkommen, weisen darauf hin, dass die von ihnen verfolgten Ziele und Werte auf Zuspruch und Aufmerksamkeit stossen und damit sehr wohl wechselseitig beeinflussend und verstärkend wirken können. Als Beispiele seien die folgenden erwähnt.

5.2 Partnerschaft statt Hierarchie
Hierarchien sind auch in der Wirtschaft nicht mehr unbestritten und z.T. schlicht nicht mehr tauglich, aber trotzdem halten sie sich hartnäckig. Caring Communities sind in der Regel nicht hierarchisch organisiert. Sie funktionieren gemeinschaftlich (manchmal auch chaotisch) und der Gemeinschaftscharakter und das Gefühl, miteinander etwas aufzubauen bzw. zu betreiben, ist stark. Ein wichtiger Grund ist auch, dass viele freiwillig dabei sind und damit auch die Wahl haben, zu gehen, wenn es nicht mehr befriedigend ist. Diese Uebungsanlage bedeutet, dass eine andere Art von Zusammenarbeit geübt wird, dass die Gemeinschaft stärker im Mittelpunkt steht, und hier auf jeden Fall viel Erfahrung gesammelt werden kann, wie auf diese Art gut und meist auch effektiv zusammengearbeitet werden kann. Es findet ein Lernprozess statt und die zunehmende Erkenntnis, dass das funktioniert. Und zunehmend besser funktioniert, als mit traditioneller Hierarchie. Das ist eine grosse Chance. Im Grunde genommen sind Care Communities Pilotprojekte für partnerschaftlich organisiertes Zusammenarbeiten.

5,2 Gleichberechtigung von Frau und Mann
Ueber 60 Prozent der Carearbeit wird von Frauen ausgeführt. D.h.auch, dass die Gestaltung der Carearbeit stärker von Frauen beeinflusst ist als die männerdominierte Lohnarbeit. In der Carearbeit ist zudem das Element, das Eisler in der heutigen Arbeitswelt vermisst, die Fürsorge, ein zentrales Element.
Gleichberechtigung hat in einer männlich geprägten Strukur, wie sie in der heutigen Wirschaft dominiert, keine Chance. Ohne eine Aenderung der Struktur, der Mentalität und der Mechanismen bleibt wirkliche Gleichberechtigung ein Wunschtraum. Die Caring Communities leisten ihre anspruchsvolle Arbeit im Rahmen eines meist gleichberechtigten Zusammenwirkens von Frauen und Männern.

5.3 Gegenseitige Fürsorge und Unterstützung
Viele Caring Communities haben bereits in ihrem Zweck und Ziel Tätigkeiten, die Fürsorge, sich gegenseitig unterstützen, das Tragen von Verantwortung füreinander und das gemeinschaftliche Zusammenwirkens voraussetzen. Diese Tätigkeiten sind in vielerlei Hinsicht anspruchsvoll. Sie führen den Beteiligten auch immer wieder vor Augen, wie zielführend und wirksam ein fürsorgliches Zusammenwirken, bei dem die Beteiligten einander auf Augenhöhe begegnen, sein kann. Diese Erfahrung dürfte auch die Ueberzeugung ins Wanken bringen, damit etwas funktioniere seien Hierarchien nötig.

6. Arbeitswelt im Umbruch
Heute ist die Arbeitswelt noch getrennt in Lohnarbeit und Carearbeit. In dieser Arbeitswelt sind grundlegende Veränderungen im Gange. Bei der Lohnarbeit vorwiegend auch wegen der Digitalisierung. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2040 höchstens noch für 60 Prozent der beschäftigungswilligen und -fähigen Menschen Lohnarbeit vorhanden ist. Gerade umgekehrt ist es bei der Carearbeit. Hier nimmt der Bedarf zu, u.a. auch infolge der demografischen Veränderungen.
Die Trennung in Lohnarbeit und Carearbeit ist in einer Gesellschaft, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die gemeinsame Sorge um das Wohlergehen aller und der Pflege solider Gemeinschaften zum Ziel hat, absolut hinderlich. Sie muss überwunden werden. Als Erstes muss erreicht werden, dass die Carearbeit Leistenden so entschädigt werden, dass sie davon leben können. Die Diskussion des Grundeinkommens weist einen möglichen Weg. Eine Neugestaltung der Arbeitswelt geht aber weit darüber hinaus. Die Arbeit in den Care Communities gibt auch hier Impulse, bietet Uebungsfelder und Ermutigung neue Formen zu wagen.

7. Schlussbemerkungen
Wir werden uns bei den Herausforderungen, die vor uns liegen mit Vorteil an den Ausspruch von Albert Einstein halten «Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.» Das konkrete Wirken der Menschen, die sich in Caring Communities engagieren und die Werte, von denen sie sich leiten lassen ,können Orientierungspunkte sein zu einer neuen Denk- und Handlungsweise. Orientierungspunkte, die zusammen mit vielen anderen jene Kräfte stärken, die eine Erneuerung der Gesellschaft möglich machen.

2.6.2021/Ruedi Winkler

Keinen Sand in die Augen streuen

Der Uno-Klimarat hat diese Woche den neusten Bericht zum Klimawandel vorgestellt. Seine Einschätzung der Lage und die Dringlichkeit des Handelns ist unverändert. Gemäss Zeitungsmeldungen soll der Bericht aber auch betonen, dass die Mittel zur Linderung und Anpassung bereitstünden, aber entschlossener angegangen werden müssten. Eine Autorin des Berichts soll gemäss NZZ gesagt haben „Es ist nicht so, dass uns eine Technologie oder Kenntnisse fehlen würden“. Das dürfte wohl so sein. Aber es ist nicht der springende Punkt. „Der Pro-Kopf-Konsum in westlichen Ländern ist zu hoch“, sagt Arneth, eine der Verfasserinnen. Das ist das Entscheidende. Aber wir weichen ihm immer wieder aus. Obwohl wir wissen, dass ein bisschen weniger Fleisch essen, etwas weniger Fliegen bei weitem nicht reicht. Da reden wir lieber davon, was technisch möglich wäre. Die ETH hat letztes Jahr berechnet, dass, um alle fossilen Energiesysteme bis 2050 vollständig zu ersetzen, sich die jährlichen Investitionen in CO2-freie Technologien in wohlhabenden Ländern mehr als verdoppeln und in Entwicklungsländern mindestens vervierfachen müssten. Die wohlhabenden Länder könnten, wenn sie wollten, aber wer zahlt das in den Entwicklungsländern? Und das wäre dann erst noch die einfachere Seite. Den Konsum so viel zu senken, dass es wirklich Wirkung hätte, dazu sind in den wohlhabenden Ländern nur wenige bereit, Würde eine Partei Forderungen postulieren, die den Klimawandel wirklich stoppen würde, käme sie vermutlich in keinem demokratischen Land über zwei Prozent Wähleranteil. Wir sollten tun, was wir können, Wenn möglich noch etwas mehr. Aber wie im Bericht des Klimarates auch ausgeführt wird, wir müssen uns sehr ernsthaft überlegen, wie wir mit den Folgen des Klimawandels umgehen. Z.B. damit, was geschieht, wenn der Wassermangel immer grössere Teile der Welt nicht mehr bewohnbar macht. Und die Menschen, die dort leben zu wandern beginnen. Dorthin, wo es noch Wasser hat.
24.3.23

Vernunft ist gefragt

Hervorgehoben

Sogenannt hochentwickelte Gesellschaften und moderne Wirtschaft und ärmere Gesellschaften mit einfacherer Wirtschaft haben eines gemeinsam: Wirtschaft und Gesellschaft gehören zusammen und sind voneinander abhängig. Entweder wir akzeptieren das, beenden die so stark aufgeladenen Diskussionen um die von der Politik unabhängige Wirtschaft oder es gibt in unschöner Regelmässigkeit solche Uebungen, wie sie jetzt gerade im Fall CS oder in den USA mit zwei Banken durchgespielt werden. Nach dem immer gleichen Muster, eine Gruppe von Leuten benutzt eine Firma um sich zu bereichern, und wenns dann schief geht, muss der Staat einspringen um den angerichteten Schaden zu begrenzen.
Dieses Muster können wir durchbrechen, wenn wir anerkennen, dass die Wirtschaft im Dienste der Gesellschaft stehen muss, und deshalb nicht als Mittel zur missbräuchlichen Bereicherung dienen darf. Die Unternehmen müssen selbstverständlich ihren Frei- und Entwicklungsraum haben, aber die Regeln und die Grenzen müssen klar gesetzt werden, und dies ist die Aufgabe der Politik. Davor darf sie sich nicht drücken. Und die ideologischen Dogmen, mit denen sich die Wirtschaft davor drücken will, gehören definitiv in die Mottenkiste. Jetzt ist Vernunft gefragt.

20.3.23

Offenheit und zueinander Sorge tragen

In der NZZ vom 4.11.20 erschien unter dem Titel: Nur ja nicht ins Altersheim – aber wer springt in die Bresche? ein Artikel, der mich zu den folgenden Ueberlegungen inspirierte:

Mir scheinen bei dieser Diskussion zwei Punkte wichtig. Erstens sollten wir bei der Frage «Altersheim oder nicht» weder «verteufeln» noch schönreden. Der Eintritt in ein Altersheim ist eine gravierende Zäsur für fast alle Menschen, die bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger eigenständig lebten. Das liegt auf keinen Fall daran, dass sich die Angestellten in den meisten Altersheimen nicht riesig Mühe geben würden. Sondern das liegt in der Natur der Sache. Selbstständigkeit und selbst bestimmen können, was man tut – oder mindestens dies so zu empfinden – ist eines der wertvollen Güter der Menschen. Mit der Verschiebung von der eigenen Wohnung in eine Institution, die aufgrund ihrer Grösse ganz einfach Regeln braucht, die den Freiraum einschränken, geht ein wesentlicher Teil der Eigenständigkeit verloren. Das festzuhalten ist kein Angriff auf die Altersheime, das ist eine Tatsache. Schönreden ändert daran nichts.
Der zweite Punkt betrifft die Betreuung. Betreuung muss eingebettet sein in ein Umfeld und in eine Gesellschaft, in der das sich um einander kümmern selbstverständlich ist. Gerald Hüther sagt das so: „(…) worauf es im Leben, im Zusammenleben und bei der Gestaltung der gemeinsamen Lebenswelt wirklich ankommt: auf Vertrauen, auf wechselseitige Anerkennung und Wertschätzung, auf das Gefühl und das Wissen, aufeinander angewiesen, voneinander abhängig und füreinander verantwortlich zu sein“. Hüther ist ein bekannter Hirnforscher.
Ein Verhalten im Sinne von Hüther heisst konkret in unserer Lebenswelt unsere Beziehungen so zu pflegen und zu gestalten, dass die Betreuung in unserem Alltag Teil unseres Lebens ist. Ob wir das als Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn oder was auch immer tun, ob wir das organisiert als Freiwillige, oder unorganisiert als Zeitgenossinnen und -genossen in unserem Lebensumfeld tun, ist sekundär. Entscheidend ist unsere Grundhaltung. Diese Grundhaltung wird von vielen einzelnen Menschen und von Organisationen wie z.B. der Nachbarschaftshilfe usw., gelebt. Die Idee der Caring Communities vertieft das. Das ist das Fundament, auf dem die Betreuung in der Zukunft den Stellenwert bekommen kann, der ihr zukommt. Der Staat kann das unterstützen, aber die Grundlage müssen die Menschen liefern, sonst wird mit viel Geld und «schlagkräftigen Konzepten» Leerlauf produziert.

Ruedi Winkler

Nachbarschaftshilfe und Caring Communities

Die Corona-Krise zeigt, wie rasch es wichtig, sogar existenziell, es sein kann, mit anderen Menschen verbunden zu sein. Nachbarschaftshilfe hat in Kürze enorm an Bekanntheit gewonnen. Obwohl es gerade auch in der Schweiz vielerorts nach wie vor so etwas wie eine Selbstverständlichkeit ist, dass Menschen, die nahe beieinander wohnen, einander bei Bedarf unterstützen. Aber auch die organisierte Nachbarschaftshilfe ist weitverbreitet, es gibt unzählige Vereine, Gruppen usw., die in Gemeinden und Quartieren Menschen im Alltag unterstützen. Freiwilligenarbeit im klassischen Sinne. Es gibt aber auch neue Formen, z.B. die Nachbarschaftshilfe mit Zeitgutschriften. Auf die ganze  Deutschschweiz verteilt gibt es bereits über 20 Genossenschaften und Vereine, die nach diesem Modell arbeiten und es kommen laufend neue dazu. Sie sind entweder im Netzwerk Nachbarschaftshilfe Schweiz www.nachbarschaftshilfeschweiz.ch oder der Fondation KISS www.fondation-kiss.ch zusammengeschlossen.

Die im Netzwerk Nachbarschaftshilfe Schweiz zusammengeschlossenen Organisationen engagieren sich zudem aktiv am Aufbau von Caring Communities, zu deutsch: Sorgende Gemeinschaften. Das Netzwerk Nachbarschaftshilfe Schweiz ist zudem assoziiertes Mitglied des Netzwerks Caring Communities Schweiz www.caringcommunities.ch und wird vom Migros Kulturprozent unterstützt.

Gemeinschaften, für die die Unterstützung von Mensch zu Mensch im Zentrum steht und die bereit sind füreinander Verantwortung zu übernehmen und eine bestimmte Eigenständigkeit aufzubauen, sind für die Zukunft wichtig. Um das zu sehen, braucht es keine Corona-Krise. Die demografische Entwicklung ist das eine. Eine Alltagsversorgung mehr aus der Region ist das andere. Angesichts der Notwendigkeit einer klimagerechteren Lebenshaltung und einer Stärkung des Zusammenhalts zwischen den Generationen ist der Aufbau solcher starken Zellen der Gesellschaft zukunftsträchtig und hilfreich.

Altersvorsorge: Finanzen allein genügen nicht

In der nächsten Zeit wird in den eidgenössischen Räten wieder ein neues Paket zur Sicherung der der Altersvorsorge und zweiter Säule diskutiert. So notwendig es ist, die finanzielle Basis für die Zukunft der beiden Sozialwerke zu sichern, so klar ist es, dass dies allein nicht genügt, um die soziale Sicherheit für die Zukunft zu sichern. Die starke Veränderung der Altersstruktur in der Bevölkerung, z.B. die Verdoppelung der Zahl der über 80-Jährigen in den nächsten 15 Jahren, bedingt, dass weitere Formen der Unterstützung aufgebaut und ausgebaut werden.

Unterstützung im Alltag ist zentral
Eine davon wird die Unterstützung im Alltag sein für Personen, die sehr wohl noch eigenständig leben können, aber bestimmte Alltagsverrichtungen nicht mehr ohne Unterstützung nicht mehr machen können, wie z.B. schwere Einkäufe, Tätigen bestimmter Arbeiten im Haushalt, Botengänge zu Arzt oder weiteren Stellen usw. Für diese Unterstützung im Alltag muss die Zivilgesellschaft, d.h. wir, sich stärker engagieren. Dieses Engagement bedingt eine zum Teil veränderte Sichtweise aufeinander. Wenn es in vielen Kreisen der Schweizer und Schweizerinnen gilt, dass „man für sich schauen soll“ und die anderen einen nichts angehen, dann ist diese Haltung in Zukunft nicht mehr tragbar. Um es mit Gerald Hütter zu sagen, kommt es darauf an, „das Gefühl und das Wissen zu pflegen, dass wir aufeinander angewiesen, voneinander abhängig und füreinander verantwortlich sind.“ Die Bereitschaft, sich in diesem Sinne in einer Gemeinschaft zu bewegen, ohne dass das zu einer Dauerüberwachung und gegenseitigen Bevormundung führt, ist anspruchsvoll.

Caring Communities als Sorgende Gemeinschaften
In jüngerer Zeit gibt es immer mehr Bestrebungen, so genannte Sorgende Gemeinschaften, bzw. Caring Communities aufzubauen. Diese haben eine neue Art der Gemeinschaften im Lebensraum der Menschen zum Ziel, die über eine gute nachbarschaftlichen Beziehung hinausgehen und die möglicherweise für unseren Gesellschaftsaufbau in Zukunft eine ähnlich entscheidende Rolle spielen werden wie in der Vergangenheit die Familien. Wenn früher gesagt wurde, die Familien seien die Zelle der Gesellschaft, dann treten als zusätzliche neue Zellen jetzt die Caring Communities hinzu. Aus meiner Sicht ist das Zentralste, dass wir dabei nicht ein Idealgebilde vorstellen, sondern uns bewusst sind, Menschen bleiben Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen, die aber sehr wohl, gerade im konkreten Alltag, zu beeindruckenden Gemeinschaftsleistungen fähig sind. Solche Gemeinschaften können sich aus schon bestehenden Organisationen heraus entwickeln, seien das nun Quartier- oder Gemeindevereine, kulturelle Zusammenschlüsse, Nachbarschafts- und Seniorenvereinigungen usw. Bauen diese ihre Zusammenarbeit mit ähnlich ausgerichteten Organisationen weiter aus, dann kann das entstehen, für das wir heute die Bezeichnung Caring Community oder ‚Sorgende Gemeinschaft‘ verwenden. Was das genau ist, werden wir dann erfahren, wenn wir diese Gemeinschaften nach den Bedürfnissen und mit den Möglichkeiten, die an einem bestimmten Ort bestehen, bzw. vorhanden sind, aufbauen.

Kompetenzen älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, formelle berufliche und nicht berufliche Kompetenzen und deren gesellschaftliche (nicht-)Anerkennung

Kurzreferat am Symposium/Podiumsgespräch am 15. Gerontologietag des Zentrums für Gerontologie der Universität Zürich vom 28.08.2014

Einleitung

Ich beginne mit einem Schlagwort, dass Ihnen sicher bekannt ist: Fachkräftemangel in der Schweiz. Der besteht schon seit längerem, aber im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung, die zu einer Reduktion der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter führt, geht man davon aus, dass sich der Fachkräftemangel noch verschärft. Der Fachkräftemangel hat jedoch verschiedene Gründe:

  1. Wie gesagt, die demografische Entwicklung
  2. Die Schweizer Wirtschaft ist für die Bevölkerung in der Schweiz zu gross und man kann sie nicht betreiben mit den in der Schweiz zur Verfügung stehenden Fachkräften. Da Fachkräfte an sich knapp sind, verschärft sich diese Knappheit noch. Über Sinn und Unsinn einer zu grossen und immer noch wachsenden Wirtschaft zu sprechen, ist in Anbetracht des Hoffnungsträgers Wachs­tum offenbar ja nicht gefragt.
  3. Offenbar bringt das hoch gepriesene Berufsbildungssystem der Schweiz nicht genügend Fach­kräfte hervor.
  4. Die vorhandenen Kompetenzen und Potenziale werden nicht optimal genutzt. Stichwort dazu: Ältere Menschen und Frauen

Frauen und ältere Arbeitnehmende als Reserve? 

In der ganzen Fachkräfte-Diskussion stehen immer die älteren Mitarbeitenden und die Frauen als mögliche Reserve für Fachkräfte zur Diskussion. Dabei gibt es einen feinen Unterschied: Bei den Frauen weist man auf die gute Ausbildung vieler Frauen hin. Sie geniessen eine teure Ausbildung und dann, statt diese der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, widmen sie sich so nebensächlichen Dingen wie der Kindererziehung… Bei den älteren Mitarbeitenden ist es etwas anders. Hier spricht man von der Erfahrung, die nicht genutzt wird. Tatsache ist, dass in der Realität diese Erfahrung gar nicht so gefragt ist, sonst wäre es für über 50 Jährige nicht so schwierig, eine neue Stelle zu finden.

Dauer der Arbeitslosigkeit länger und mehr Ausgesteuerte

Im Mittelpunkt steht heute die Frage der älteren Mitarbeitenden. In der Schweiz ist der Beschäftigungs­grad der Mitarbeitenden über 50 beinahe 80%, das ist international sehr hoch. Die Arbeitslosenrate bei den über 50 Jährigen ist tiefer als die Durchschnittsarbeitslosenrate. Die Dauer der Arbeitslosigkeit ist in dieser Altersgruppe wesentlich länger als generell bei den Arbeitslosen. Und die Anzahl der Ausge­steuerten bei der Arbeitslosenversicherung ist bei den über 50-Jährigen überdurchschnittlich hoch.

Zwei Extreme

In der Diskussion um ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat  man oft den Eindruck, dass von verschiedenen Menschen gesprochen wird. Die einen betonen die grosse Erfahrung und betrachten das als Beweis, wie interessant es sein muss, ältere Mitarbeitende einzustellen und zu beschäftigen. Die anderen sind auf die Einstellung von über 50 Jährigen kaum anzusprechen, bzw. sie stellen diese einfach nicht ein. Dass der Jahrgang für die Eignung für eine Stelle etwa so aussagekräftig ist wie die Augenfarbe, kümmert sie wenig.

Die konkrete Eignung ist entscheidend

Entscheidend dafür, ob jemand für eine Stelle geeignet ist oder nicht ist weder der Jahrgang noch einfach generell die Erfahrung. Entscheidend ist, ob jemand die für eine Stelle nötigen Kompetenzen mitbringt oder nicht. Dafür muss man diese Kompetenzen kennen und bereit sein, den Entscheid ob geeignet oder nicht, darauf abzustützen. Dazu müssen jedoch die Kompetenzen auch bekannt sein.

Kompetenzen konkret definieren

Kompetenzen kann man definieren. Man kann feststellen, ob sie vorhanden sind oder nicht und Kompetenzen kann man vergleichen, d.h. wenn sich jemand um eine Stelle bewirbt, kann man schauen, ob die Kompetenzen, die jemand mitbringt, auch mit den Kompetenzen übereinstimmen, die bei der zu besetzenden Stelle gefragt sind. Stimmen sie überein, dann soll der oder die Bewerbende eine faire Chance haben, ungeachtet des Jahrgangs. Stimmt dies nicht überein, dann kann man dies auch sachlich begründen. Der Punkt ist aber, dass die systematische Erhebung der Kompetenzen bei uns wenig üblich ist und die Validierung noch total in den Kinderschuhen steckt, trotz der Verankerung im Berufsbildungsgesetz von 2004. Validierung heisst, dass jemand, die oder der über die für einen Abschluss nötigen Kompetenzen verfügt, auch Anspruch auf das entsprechende Diplom, Zertifikat usw. hat. Bei etwa zehn Berufen kann man eine solche Validierung machen, bei den übrigen besteht die Möglichkeit noch nicht. Das heisst die Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt haben ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und versäumen ihren wichtigen Beitrag, damit Menschen mit den entsprechenden Kompetenzen auch die entsprechenden Stellen finden können und nicht über ihren Jahrgang stolpern müssen. Zur Zeit macht es den Anschein, als ob die Unternehmen nicht gewillt seien, ihre Haltung wirklich zu ändern. In jüngerer Zeit stellt man sogar fest, dass die frühere Praxis, dass Ältere weniger schnell zu entlassen als Jüngere im Schwinden begriffen ist. Und seit der Annahme der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar dieses Jahres, gibt es Anzeichen, dass die Unternehmen Leute auf Vorrat aus dem Ausland rekrutieren, weil sie Beschränkungen in der Zukunft befürchten. Von Bestrebungen, die Kompetenzen der Älteren gezielt zu nutzen und das Potenzial auszuschöpfen ist noch nichts zu erkennen.

Auch gesellschaftliche Komponente

In Analysen des Abstimmungsresultats vom 2. Februar 2014 wurde auch darauf hingewiesen, dass ein Teil der Befürwortenden auch aus Enttäuschung und dem Gefühl, zu kurz zu kommen oder zu wenig anerkannt zu werden, so stimmten. Wenn wir in Zukunft davon ausgehen müssen, dass wir im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung auch auf das Engagement und die Ressourcen der Menschen nach der Pensionierung angewiesen sind, dann sollten wir vielleicht daran denken, was es für diese heisst, in den letzten 15 Jahren des Arbeitslebens wenig geschätzt oder sogar ausgestossen zu werden und anschliessend sollten sie dann wieder einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Diese Frage sollten wir aufnehmen, bevor es die SVP für sich nutzt.

Ältere Mitarbeitendee und moderne Arbeitswelt: Herausforderungen nicht unterschätzen

Referat beim Rotary Club Forch vom 27.08.2014

Einleitung

Warum spreche ich im Zusammenhang mit diesem Thema von Herausforderungen? Das hat vor allem zwei Gründe.

Erstens ist das Alter eine hoch emotionale Angelegenheit. Wenn’s ums Alter geht, dann spielen Ver­drän­gung und Schönfärberei eine relativ grosse Rolle. Das ist sowohl im Privaten so wie auch in der Wirtschaft, wenn es um die Arbeitswelt geht. Es schwankt z.T. zwischen Glorifizierung (Er­fahrung wird völlig überhöht) und Ignoranz, d.h. man will mit dem Älter werden und dem Alter nichts zu tun haben. Die Kernfrage ist deshalb für jeden Betrieb: will er sich mit den Ressourcen der Älteren auseinandersetzen oder will er seinen Ressourcenbedarf anderweitig decken, z.B. über Frauen und Ausländer? Wer sich für die erste Variante entscheidet, wird schnell verstehen, warum es hier um Herausforderungen geht.

Übrigens das Referat könnte auch den Titel tragen: Jüngere Arbeitnehmende und moderne Arbeitswelt: Herausforderungen nicht unterschätzen.

Mensch ein Störfaktor in der Arbeitswelt?

In der heutigen Wirtschaft wird man oft den Eindruck nicht los, dass der Mensch mehr und mehr zum Störfaktor wird. Urmenschliche Bedürfnisse, wie z.B. seinen Nachwuchs mindestens zum Teil selber betreuen wollen oder Familiemitglieder pflegen zu können, kollidieren z.T. massiv mit den Anforderungen der Wirtschaft. Ein weiteres Indiz, dass man den Menschen – trotz immer besserer Ausbildung –  nicht mehr so traut, ist die rasante Standardisierung und Qualitätssicherung in immer mehr Bereichen. Die Bürokratie des Reportings und der Kontrolle feiert Urständ, von der Privatwirtschaft z.T. selbst inszeniert.

Zwei Binsenwahrheiten…

Zu Beginn möchte ich einige Fakten festhalten und als erstes noch zwei Binsenwahrheiten:

  1. Die Wirtschaft ist im Wandel und das seit Jahrzehnten. Wenn sich etwas stark wandelt, ist es natur­gegeben, dass die unter früheren Umständen gemachten Erfahrungen mindestens zum Teil nicht mehr so wertvoll sind oder sich im schlechtesten Fall sogar hemmend auswirken können.
  2. Und die zweite Binsenwahrheit ist, dass das Eigen- und Fremdbild sich bei allen Menschen, auch bei den älteren, sehr oft stark unterscheidet. Aber nicht nur jenes der Menschen, sondern auch jenes der Firmen.

 … und einige Fakten:

  • Ältere verlieren ihre Stelle weniger schnell als Jüngere, der Unterschied verkleinert sich aber.
  • Die Erwerbsquote der über 55-Jährigen ist fast 80%, das ist sehr hoch im internationalen Ver­gleich.
  • Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen ist in der Regel tiefer als die durch­schnittliche Arbeitslosigkeit bei der Gesamtbevölkerung. Im Juli 2014 betrug sie gegenüber bei den über 50-Jährigen 2,6%, im Gesamten 2,9%.
  • Die Dauer der Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen ist deutlich länger als bei Jüngeren.
  • Bei den Ausgesteuerten ist der Anteil der über 50-Jährigen überdurchschnittlich hoch.

Aufgrund der ersten drei Punkte wird oft angeführt – und dazu gibt es sogar wissenschaftliche Studien – dass es die Benachteiligung der Älteren auf dem Arbeitsmarkt eigentlich gar nicht gebe. Die letzten zwei Punkte zeigen, warum es sie eben doch gibt. Meine Erfahrung ist, dass die Stellensuche für über 50-Jährige seit etwa einem Vierteljahrhundert auf die etwa gleiche Situation stösst. Wer über 50, bzw. über 45 ist, ist gezwungen, gegen seinen Jahrgang anzukämpfen. Das führt zu manchmal fast skurrilen Fragen wie: Wo platziert man seinen Jahrgang im Lebenslauf? – gar nicht, am Anfang, am Schluss oder versteckt man ihn sonst irgendwo. Das zeigt, dass der Jahrgang eben stark gewichtet wird.

Die Herausforderungen

  1. Dem Thema ältere Mitarbeitende nüchtern begegnen. Ich habe es schon erwähnt, Alter und älter werden ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Es geht dabei verloren, dass die Menschen sehr verschieden sind und dass die Unterschiede zwischen den Menschen pro Altersgruppe mit zunehmendem Alter immer grösser werden. D.h. wer entscheiden will, ob jemand für eine Stelle geeignet ist oder nicht, muss den Willen und die Energie haben, den Menschen und seine Fähigkeiten zu beurteilen und zu prüfen, ob dies mit der zu vergebenden Stelle vereinbar ist, bzw. ob jemand die Anforderungen dieser Stelle erfüllt. Der Jahrgang ist dabei etwa so relevant wie die Augenfarbe.
  2. Bewusster Führungsentscheid

Wer sich entscheidet, in seiner Firma älteren Menschen auch eine Chance zu geben, der braucht einen Führungsentscheid und zwar von der obersten Stelle. Alle Menschen haben in irgendeiner Form zum Alter eine eigene Einstellung. Vielfach  eher eine mit Vorbehalten. Und deshalb muss der klare Wille der Führung kommuniziert werden, dass ältere Menschen aufgrund ihrer Leistung, ihrer Kompetenzen und ihrer Eignung für eine Stelle genauso wie die Jüngeren zu be­ur­teilen sind und dass am Schluss die geeignetste Person die Stelle erhalten soll. Niemand soll wegen dem Jahrgang ausgeschlossen werden. Dabei ist interessant, dass wissenschaftliche Unter­suchungen immer wieder das Gleiche zeigen: Vergleiche von Arbeitsleistungen zwischen Gruppen von Jungen und Älteren sind meist nicht zu unter­scheiden. Das hängt damit zusammen, dass sich das Arbeitsverhalten verändert, dass Junge ganz anders an die Sache herangehen als Ältere und Ältere oft mit Kompensationen arbeiten und ihre Erfahrungen nutzen können, was zwar vielleicht zum Begleiten etwas „langweiliger“ erscheint, aber letztlich die Leistung nicht mindert. Bei diesem Thema kommt mir immer der Manager in den Sinn, der vor Jahren einmal bei mir in der Beratung war. Er hatte Jahre lang Fabriken aufgebaut in Ägypten und Japan, zur vollen Zufriedenheit seiner Arbeitgeberin, einer Chemiefirma. Als er dann aus familiären Gründen eine Weile in der Schweiz arbeiten wollte, wurde er entlassen. Darauf wurde er sechs Jahre arbeitslos, verlor sein Vermögen, seine Familie verliess ihn und zuletzt lebte er in einem Zimmer von der Sozialhilfe. Dann erhielt er nach sechs Jahren wieder eine Stelle, wie er sie vorher hatte, und seither ist er wieder, seit bald 10 Jahren, Manager wie vorher. Das zeigt deutlich, dass wenn man nach Alter beurteilt, jemand vor geschlossenen Türen stehen kann. Wenn man nach Fähigkeiten beurteilt, sieht das anders aus.

  1. Sich der Kritik und den Anregungen der Mitarbeitenden stellen und Führungskultur pflegen.

Eine der wichtigen Herausforderungen ist die Tatsache, dass, auch nach wissenschaftlichen Untersuchungen, ältere Menschen mehr Gewicht auf den Sinn der Arbeit legen als jüngere. Daraus resultiert oft, dass Ältere eher kritisch nachfragen als Jüngere und den Sinn von Änderungen sehen möchten. Sie handeln sich so den Vorwurf ein, sie seien Meckerer und Bremser. Meist würde es sich lohnen, die Kritik und die Anregungen der Mitarbeitenden anzuhören, aber dazu muss der Wille bestehen. Ein ähnliches Phänomen, ist, dass ebenfalls nach Untersuchungen, ältere Menschen mehr Gewicht auf Anstand und Respekt im Umgang legen als jüngere. D.h. die Führungskultur muss so gestaltet werden, dass sie für alle Generationen stimmt. Auch jüngere haben nichts dagegen, wenn anständig kommuniziert und ihnen mit Respekt begegnet wird.

  1. Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Generationen pflegen.

Sowohl für die Kultur wie für die Produktivität eines Betriebes ist es schlecht, wenn sich Generationenkohorten bilden, zwischen denen wenig Kontakt besteht.

Nach aussen die gleiche Haltung vertreten wie nach innen

  • Es ist sowohl für das Image der Firma wie für die Wirkung nach innen sehr schlecht, wenn die Firmenleitung z.B. nach aussen das höhere Rentenalter vertritt, und ständig Leute vorzeitig in Pension schickt. Das gleiche ist auch, wenn sie in der Kommunikation die Erfahrung der Älteren preist und selber aber keine Älteren anstellt.

Was kann eine Firma tun?

  • Primär ist wichtig, dass die Führung ihr Verhältnis zu den älteren Mitarbeitenden prägt und ihre Haltung dazu in Führungsentscheiden umsetzt und in die Kommunikation einfliessen lässt.
  • Anpassung der Führungskultur.
  • Der Austausch zwischen den Generationen und die Zusammenarbeit muss gepflegt und gefördert werden.
  • Die Arbeitsprozesse und Beschäftigungsmodelle den Bedürfnissen der Generationen anpassen. Oft korrespondieren die Bedürfnisse der Älteren mit jenen der Jüngeren bezüglich Flexibilität, z.B. angepasste Arbeitszeiten, wenn Jüngere die Familie, eine grössere Ausbildung usw. und Beruf unter einen Hut bringen möchten.
  • Und das alles frühzeitig!

Was können Mitarbeitende tun?

Es gibt ein paar wichtig Punkte, die eigentlich jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer beachten sollte.

  • Entwicklung der Arbeitgeberfirma gut beobachten, d.h. darauf schauen, dass man einen Überblick hat, wie die Arbeitgeberfirma sich entwickelt und welche Politik, z.B. auch zu den älteren Mit­ar­beitenden, sie betreibt.
  • Auch wer sehr zufrieden ist mit seiner beruflichen Tätigkeit, sollte sich immer wieder Alternativen überlegen, Veränderungen, auch Berufswechsel erwägen und die Augen offen halten. Das braucht nicht umgesetzt zu werden, aber wenn entweder das eigene Gefühl für eine solche spricht oder sogar eine Zwangssituation entsteht, ist die Ausgangslage so besser.
  • Arbeitsplätze verändern sich in einer Wirtschaft des Wandels laufend. Da ist das Wissen und Können à jour zu halten. Eine gute Strategie ist, sich, wenn möglich, beim Arbeitgeber unent­behrlich zu machen.
  • Den Umgang mit den verschiedenen Generationen im Betrieb pflegen, sei das bei Gelegenheiten wie dem Mittagessen, bei Kaffeepausen oder auch indem man sich einsetzt für gemischte Teams.
  • Und das alles frühzeitig!

Fazit

Ich möchte dies kurz so zusammenfassen:

  • Es gibt Handlungsspielraum in der Frage, ob ein Unter­nehmen die Ressourcen Älterer nutzen will oder nicht.
  • Es gibt einen Spielraum für die Mitarbeitenden bei der Gestaltung der letzten 15 Jahre im Erwerbsleben. Dieser ist je nach Arbeit, je nach Ausbildung und je nach beruflicher Laufbahn verschieden, aber er besteht immer.
  • Der Handlungsspielraum ist von Firma zu Firma und von Mitarbeitendem zu Mitarbeitendem verschieden, aber er ist vorhanden.
  • Auf jeden Fall gilt es, sich darauf einzustellen und die Fragen früh und aktiv anzugehen.