Ältere Mitarbeitendee und moderne Arbeitswelt: Herausforderungen nicht unterschätzen

Referat beim Rotary Club Forch vom 27.08.2014

Einleitung

Warum spreche ich im Zusammenhang mit diesem Thema von Herausforderungen? Das hat vor allem zwei Gründe.

Erstens ist das Alter eine hoch emotionale Angelegenheit. Wenn’s ums Alter geht, dann spielen Ver­drän­gung und Schönfärberei eine relativ grosse Rolle. Das ist sowohl im Privaten so wie auch in der Wirtschaft, wenn es um die Arbeitswelt geht. Es schwankt z.T. zwischen Glorifizierung (Er­fahrung wird völlig überhöht) und Ignoranz, d.h. man will mit dem Älter werden und dem Alter nichts zu tun haben. Die Kernfrage ist deshalb für jeden Betrieb: will er sich mit den Ressourcen der Älteren auseinandersetzen oder will er seinen Ressourcenbedarf anderweitig decken, z.B. über Frauen und Ausländer? Wer sich für die erste Variante entscheidet, wird schnell verstehen, warum es hier um Herausforderungen geht.

Übrigens das Referat könnte auch den Titel tragen: Jüngere Arbeitnehmende und moderne Arbeitswelt: Herausforderungen nicht unterschätzen.

Mensch ein Störfaktor in der Arbeitswelt?

In der heutigen Wirtschaft wird man oft den Eindruck nicht los, dass der Mensch mehr und mehr zum Störfaktor wird. Urmenschliche Bedürfnisse, wie z.B. seinen Nachwuchs mindestens zum Teil selber betreuen wollen oder Familiemitglieder pflegen zu können, kollidieren z.T. massiv mit den Anforderungen der Wirtschaft. Ein weiteres Indiz, dass man den Menschen – trotz immer besserer Ausbildung –  nicht mehr so traut, ist die rasante Standardisierung und Qualitätssicherung in immer mehr Bereichen. Die Bürokratie des Reportings und der Kontrolle feiert Urständ, von der Privatwirtschaft z.T. selbst inszeniert.

Zwei Binsenwahrheiten…

Zu Beginn möchte ich einige Fakten festhalten und als erstes noch zwei Binsenwahrheiten:

  1. Die Wirtschaft ist im Wandel und das seit Jahrzehnten. Wenn sich etwas stark wandelt, ist es natur­gegeben, dass die unter früheren Umständen gemachten Erfahrungen mindestens zum Teil nicht mehr so wertvoll sind oder sich im schlechtesten Fall sogar hemmend auswirken können.
  2. Und die zweite Binsenwahrheit ist, dass das Eigen- und Fremdbild sich bei allen Menschen, auch bei den älteren, sehr oft stark unterscheidet. Aber nicht nur jenes der Menschen, sondern auch jenes der Firmen.

 … und einige Fakten:

  • Ältere verlieren ihre Stelle weniger schnell als Jüngere, der Unterschied verkleinert sich aber.
  • Die Erwerbsquote der über 55-Jährigen ist fast 80%, das ist sehr hoch im internationalen Ver­gleich.
  • Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen ist in der Regel tiefer als die durch­schnittliche Arbeitslosigkeit bei der Gesamtbevölkerung. Im Juli 2014 betrug sie gegenüber bei den über 50-Jährigen 2,6%, im Gesamten 2,9%.
  • Die Dauer der Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen ist deutlich länger als bei Jüngeren.
  • Bei den Ausgesteuerten ist der Anteil der über 50-Jährigen überdurchschnittlich hoch.

Aufgrund der ersten drei Punkte wird oft angeführt – und dazu gibt es sogar wissenschaftliche Studien – dass es die Benachteiligung der Älteren auf dem Arbeitsmarkt eigentlich gar nicht gebe. Die letzten zwei Punkte zeigen, warum es sie eben doch gibt. Meine Erfahrung ist, dass die Stellensuche für über 50-Jährige seit etwa einem Vierteljahrhundert auf die etwa gleiche Situation stösst. Wer über 50, bzw. über 45 ist, ist gezwungen, gegen seinen Jahrgang anzukämpfen. Das führt zu manchmal fast skurrilen Fragen wie: Wo platziert man seinen Jahrgang im Lebenslauf? – gar nicht, am Anfang, am Schluss oder versteckt man ihn sonst irgendwo. Das zeigt, dass der Jahrgang eben stark gewichtet wird.

Die Herausforderungen

  1. Dem Thema ältere Mitarbeitende nüchtern begegnen. Ich habe es schon erwähnt, Alter und älter werden ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Es geht dabei verloren, dass die Menschen sehr verschieden sind und dass die Unterschiede zwischen den Menschen pro Altersgruppe mit zunehmendem Alter immer grösser werden. D.h. wer entscheiden will, ob jemand für eine Stelle geeignet ist oder nicht, muss den Willen und die Energie haben, den Menschen und seine Fähigkeiten zu beurteilen und zu prüfen, ob dies mit der zu vergebenden Stelle vereinbar ist, bzw. ob jemand die Anforderungen dieser Stelle erfüllt. Der Jahrgang ist dabei etwa so relevant wie die Augenfarbe.
  2. Bewusster Führungsentscheid

Wer sich entscheidet, in seiner Firma älteren Menschen auch eine Chance zu geben, der braucht einen Führungsentscheid und zwar von der obersten Stelle. Alle Menschen haben in irgendeiner Form zum Alter eine eigene Einstellung. Vielfach  eher eine mit Vorbehalten. Und deshalb muss der klare Wille der Führung kommuniziert werden, dass ältere Menschen aufgrund ihrer Leistung, ihrer Kompetenzen und ihrer Eignung für eine Stelle genauso wie die Jüngeren zu be­ur­teilen sind und dass am Schluss die geeignetste Person die Stelle erhalten soll. Niemand soll wegen dem Jahrgang ausgeschlossen werden. Dabei ist interessant, dass wissenschaftliche Unter­suchungen immer wieder das Gleiche zeigen: Vergleiche von Arbeitsleistungen zwischen Gruppen von Jungen und Älteren sind meist nicht zu unter­scheiden. Das hängt damit zusammen, dass sich das Arbeitsverhalten verändert, dass Junge ganz anders an die Sache herangehen als Ältere und Ältere oft mit Kompensationen arbeiten und ihre Erfahrungen nutzen können, was zwar vielleicht zum Begleiten etwas „langweiliger“ erscheint, aber letztlich die Leistung nicht mindert. Bei diesem Thema kommt mir immer der Manager in den Sinn, der vor Jahren einmal bei mir in der Beratung war. Er hatte Jahre lang Fabriken aufgebaut in Ägypten und Japan, zur vollen Zufriedenheit seiner Arbeitgeberin, einer Chemiefirma. Als er dann aus familiären Gründen eine Weile in der Schweiz arbeiten wollte, wurde er entlassen. Darauf wurde er sechs Jahre arbeitslos, verlor sein Vermögen, seine Familie verliess ihn und zuletzt lebte er in einem Zimmer von der Sozialhilfe. Dann erhielt er nach sechs Jahren wieder eine Stelle, wie er sie vorher hatte, und seither ist er wieder, seit bald 10 Jahren, Manager wie vorher. Das zeigt deutlich, dass wenn man nach Alter beurteilt, jemand vor geschlossenen Türen stehen kann. Wenn man nach Fähigkeiten beurteilt, sieht das anders aus.

  1. Sich der Kritik und den Anregungen der Mitarbeitenden stellen und Führungskultur pflegen.

Eine der wichtigen Herausforderungen ist die Tatsache, dass, auch nach wissenschaftlichen Untersuchungen, ältere Menschen mehr Gewicht auf den Sinn der Arbeit legen als jüngere. Daraus resultiert oft, dass Ältere eher kritisch nachfragen als Jüngere und den Sinn von Änderungen sehen möchten. Sie handeln sich so den Vorwurf ein, sie seien Meckerer und Bremser. Meist würde es sich lohnen, die Kritik und die Anregungen der Mitarbeitenden anzuhören, aber dazu muss der Wille bestehen. Ein ähnliches Phänomen, ist, dass ebenfalls nach Untersuchungen, ältere Menschen mehr Gewicht auf Anstand und Respekt im Umgang legen als jüngere. D.h. die Führungskultur muss so gestaltet werden, dass sie für alle Generationen stimmt. Auch jüngere haben nichts dagegen, wenn anständig kommuniziert und ihnen mit Respekt begegnet wird.

  1. Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Generationen pflegen.

Sowohl für die Kultur wie für die Produktivität eines Betriebes ist es schlecht, wenn sich Generationenkohorten bilden, zwischen denen wenig Kontakt besteht.

Nach aussen die gleiche Haltung vertreten wie nach innen

  • Es ist sowohl für das Image der Firma wie für die Wirkung nach innen sehr schlecht, wenn die Firmenleitung z.B. nach aussen das höhere Rentenalter vertritt, und ständig Leute vorzeitig in Pension schickt. Das gleiche ist auch, wenn sie in der Kommunikation die Erfahrung der Älteren preist und selber aber keine Älteren anstellt.

Was kann eine Firma tun?

  • Primär ist wichtig, dass die Führung ihr Verhältnis zu den älteren Mitarbeitenden prägt und ihre Haltung dazu in Führungsentscheiden umsetzt und in die Kommunikation einfliessen lässt.
  • Anpassung der Führungskultur.
  • Der Austausch zwischen den Generationen und die Zusammenarbeit muss gepflegt und gefördert werden.
  • Die Arbeitsprozesse und Beschäftigungsmodelle den Bedürfnissen der Generationen anpassen. Oft korrespondieren die Bedürfnisse der Älteren mit jenen der Jüngeren bezüglich Flexibilität, z.B. angepasste Arbeitszeiten, wenn Jüngere die Familie, eine grössere Ausbildung usw. und Beruf unter einen Hut bringen möchten.
  • Und das alles frühzeitig!

Was können Mitarbeitende tun?

Es gibt ein paar wichtig Punkte, die eigentlich jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer beachten sollte.

  • Entwicklung der Arbeitgeberfirma gut beobachten, d.h. darauf schauen, dass man einen Überblick hat, wie die Arbeitgeberfirma sich entwickelt und welche Politik, z.B. auch zu den älteren Mit­ar­beitenden, sie betreibt.
  • Auch wer sehr zufrieden ist mit seiner beruflichen Tätigkeit, sollte sich immer wieder Alternativen überlegen, Veränderungen, auch Berufswechsel erwägen und die Augen offen halten. Das braucht nicht umgesetzt zu werden, aber wenn entweder das eigene Gefühl für eine solche spricht oder sogar eine Zwangssituation entsteht, ist die Ausgangslage so besser.
  • Arbeitsplätze verändern sich in einer Wirtschaft des Wandels laufend. Da ist das Wissen und Können à jour zu halten. Eine gute Strategie ist, sich, wenn möglich, beim Arbeitgeber unent­behrlich zu machen.
  • Den Umgang mit den verschiedenen Generationen im Betrieb pflegen, sei das bei Gelegenheiten wie dem Mittagessen, bei Kaffeepausen oder auch indem man sich einsetzt für gemischte Teams.
  • Und das alles frühzeitig!

Fazit

Ich möchte dies kurz so zusammenfassen:

  • Es gibt Handlungsspielraum in der Frage, ob ein Unter­nehmen die Ressourcen Älterer nutzen will oder nicht.
  • Es gibt einen Spielraum für die Mitarbeitenden bei der Gestaltung der letzten 15 Jahre im Erwerbsleben. Dieser ist je nach Arbeit, je nach Ausbildung und je nach beruflicher Laufbahn verschieden, aber er besteht immer.
  • Der Handlungsspielraum ist von Firma zu Firma und von Mitarbeitendem zu Mitarbeitendem verschieden, aber er ist vorhanden.
  • Auf jeden Fall gilt es, sich darauf einzustellen und die Fragen früh und aktiv anzugehen.