Kurzreferat am Symposium/Podiumsgespräch am 15. Gerontologietag des Zentrums für Gerontologie der Universität Zürich vom 28.08.2014
Einleitung
Ich beginne mit einem Schlagwort, dass Ihnen sicher bekannt ist: Fachkräftemangel in der Schweiz. Der besteht schon seit längerem, aber im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung, die zu einer Reduktion der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter führt, geht man davon aus, dass sich der Fachkräftemangel noch verschärft. Der Fachkräftemangel hat jedoch verschiedene Gründe:
- Wie gesagt, die demografische Entwicklung
- Die Schweizer Wirtschaft ist für die Bevölkerung in der Schweiz zu gross und man kann sie nicht betreiben mit den in der Schweiz zur Verfügung stehenden Fachkräften. Da Fachkräfte an sich knapp sind, verschärft sich diese Knappheit noch. Über Sinn und Unsinn einer zu grossen und immer noch wachsenden Wirtschaft zu sprechen, ist in Anbetracht des Hoffnungsträgers Wachstum offenbar ja nicht gefragt.
- Offenbar bringt das hoch gepriesene Berufsbildungssystem der Schweiz nicht genügend Fachkräfte hervor.
- Die vorhandenen Kompetenzen und Potenziale werden nicht optimal genutzt. Stichwort dazu: Ältere Menschen und Frauen
Frauen und ältere Arbeitnehmende als Reserve?
In der ganzen Fachkräfte-Diskussion stehen immer die älteren Mitarbeitenden und die Frauen als mögliche Reserve für Fachkräfte zur Diskussion. Dabei gibt es einen feinen Unterschied: Bei den Frauen weist man auf die gute Ausbildung vieler Frauen hin. Sie geniessen eine teure Ausbildung und dann, statt diese der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, widmen sie sich so nebensächlichen Dingen wie der Kindererziehung… Bei den älteren Mitarbeitenden ist es etwas anders. Hier spricht man von der Erfahrung, die nicht genutzt wird. Tatsache ist, dass in der Realität diese Erfahrung gar nicht so gefragt ist, sonst wäre es für über 50 Jährige nicht so schwierig, eine neue Stelle zu finden.
Dauer der Arbeitslosigkeit länger und mehr Ausgesteuerte
Im Mittelpunkt steht heute die Frage der älteren Mitarbeitenden. In der Schweiz ist der Beschäftigungsgrad der Mitarbeitenden über 50 beinahe 80%, das ist international sehr hoch. Die Arbeitslosenrate bei den über 50 Jährigen ist tiefer als die Durchschnittsarbeitslosenrate. Die Dauer der Arbeitslosigkeit ist in dieser Altersgruppe wesentlich länger als generell bei den Arbeitslosen. Und die Anzahl der Ausgesteuerten bei der Arbeitslosenversicherung ist bei den über 50-Jährigen überdurchschnittlich hoch.
Zwei Extreme
In der Diskussion um ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat man oft den Eindruck, dass von verschiedenen Menschen gesprochen wird. Die einen betonen die grosse Erfahrung und betrachten das als Beweis, wie interessant es sein muss, ältere Mitarbeitende einzustellen und zu beschäftigen. Die anderen sind auf die Einstellung von über 50 Jährigen kaum anzusprechen, bzw. sie stellen diese einfach nicht ein. Dass der Jahrgang für die Eignung für eine Stelle etwa so aussagekräftig ist wie die Augenfarbe, kümmert sie wenig.
Die konkrete Eignung ist entscheidend
Entscheidend dafür, ob jemand für eine Stelle geeignet ist oder nicht ist weder der Jahrgang noch einfach generell die Erfahrung. Entscheidend ist, ob jemand die für eine Stelle nötigen Kompetenzen mitbringt oder nicht. Dafür muss man diese Kompetenzen kennen und bereit sein, den Entscheid ob geeignet oder nicht, darauf abzustützen. Dazu müssen jedoch die Kompetenzen auch bekannt sein.
Kompetenzen konkret definieren
Kompetenzen kann man definieren. Man kann feststellen, ob sie vorhanden sind oder nicht und Kompetenzen kann man vergleichen, d.h. wenn sich jemand um eine Stelle bewirbt, kann man schauen, ob die Kompetenzen, die jemand mitbringt, auch mit den Kompetenzen übereinstimmen, die bei der zu besetzenden Stelle gefragt sind. Stimmen sie überein, dann soll der oder die Bewerbende eine faire Chance haben, ungeachtet des Jahrgangs. Stimmt dies nicht überein, dann kann man dies auch sachlich begründen. Der Punkt ist aber, dass die systematische Erhebung der Kompetenzen bei uns wenig üblich ist und die Validierung noch total in den Kinderschuhen steckt, trotz der Verankerung im Berufsbildungsgesetz von 2004. Validierung heisst, dass jemand, die oder der über die für einen Abschluss nötigen Kompetenzen verfügt, auch Anspruch auf das entsprechende Diplom, Zertifikat usw. hat. Bei etwa zehn Berufen kann man eine solche Validierung machen, bei den übrigen besteht die Möglichkeit noch nicht. Das heisst die Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt haben ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und versäumen ihren wichtigen Beitrag, damit Menschen mit den entsprechenden Kompetenzen auch die entsprechenden Stellen finden können und nicht über ihren Jahrgang stolpern müssen. Zur Zeit macht es den Anschein, als ob die Unternehmen nicht gewillt seien, ihre Haltung wirklich zu ändern. In jüngerer Zeit stellt man sogar fest, dass die frühere Praxis, dass Ältere weniger schnell zu entlassen als Jüngere im Schwinden begriffen ist. Und seit der Annahme der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar dieses Jahres, gibt es Anzeichen, dass die Unternehmen Leute auf Vorrat aus dem Ausland rekrutieren, weil sie Beschränkungen in der Zukunft befürchten. Von Bestrebungen, die Kompetenzen der Älteren gezielt zu nutzen und das Potenzial auszuschöpfen ist noch nichts zu erkennen.
Auch gesellschaftliche Komponente
In Analysen des Abstimmungsresultats vom 2. Februar 2014 wurde auch darauf hingewiesen, dass ein Teil der Befürwortenden auch aus Enttäuschung und dem Gefühl, zu kurz zu kommen oder zu wenig anerkannt zu werden, so stimmten. Wenn wir in Zukunft davon ausgehen müssen, dass wir im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung auch auf das Engagement und die Ressourcen der Menschen nach der Pensionierung angewiesen sind, dann sollten wir vielleicht daran denken, was es für diese heisst, in den letzten 15 Jahren des Arbeitslebens wenig geschätzt oder sogar ausgestossen zu werden und anschliessend sollten sie dann wieder einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Diese Frage sollten wir aufnehmen, bevor es die SVP für sich nutzt.